Grafikdesign ist Bildurhebung

das-hf-krebs~~~~~~~~~~~ Entwerfen und schreiben sind gleichrangig. Das im Bilde gründende Analphabetische kann durch das Alphabetische des Schreibens ein- oder ausgegrenzt werden. Die Folgerungen sind zu bewältigen. Konzepte sind idealtypisch immer als Ganzes zu denken. Handwerkliches und Technisches haben ihren eigenständigen Wert. Das Ökonomische ist ein Aspekt der Realität, der nicht zu verrücken ist; gegen Realität zu denken und zu handeln, entzöge den Entwürfen ihre Rationalität und würde die Entwürfe unglaubwürdig machen. Kreativität entsteht wie von selbst, wenn Bildung und Ausbildung während des Studiums sinnvoll legiert wurden. Selbstverständlich dürfen Fehler gemacht werden; Fehler gehören zum Menschen. Maßstäbe dürfen gesetzt werden. Aber: Maßstäbe dürfen kritisiert werden. Sozialkompetenz und Fachkompetenz liegen miteinander im Streite. Das ist ein normaler Zustand. Destruktiv orientierte Vorurteile optimieren Konflikte. Einsicht in die Struktur der Vorurteile können Einzelarbeit und Zusammenarbeit menschlicher machen. Es ist human, Gewissheiten zu verletzen. Dass das Studium Kommunikationsdesign Selbstverwirklichung fördere, ist ein Vorurteil, das Inhumanität installiert. Ist das Künstlerische künstlich? Ein Mensch ist nur in der Lage, sich als Mensch zu realisieren; nicht als Typograf, nicht als Grafikdesigner. Kindwelt und Erwachsenenwelt müssen erst wahrgenommen werden, um auch stabil und gesichert im Da-Zwischen siedeln zu können.


~~~~~~~~~~~  Und dennoch ist Arbeit von der Person, die die Arbeit geleistet hat, nicht abzulösen. Urhebung bindet das Urheberrecht ausschließlich und unabdingbar an den Urheber. Dagegen ist die Einschätzung von Begabung problematisch. Es ist unbestreitbar, dass jeder Mensch seine Begabungen hat. Meist werden Begabungen nicht entdeckt und können nicht ausgefaltet werden; häufig wird Geschick mit Begabung verwechselt. Dieser unpräzise Wortgebrauch fördert Unruhe. Diese an Konkretheit nicht festmachbare Unruhe kann Menschen aus dem Gleichgewicht bringen im Gegenüber von Menschen; die von sich behaupten, auf dem richtigen Weg zu sein. Auf welche Weise sollen junge Menschen ihre Maßstäbe setzen? Sie werden das nekrophile Befinden erfahren, nur als Arbeitskraft genutzt zu werden; ihr Menschsein wird gemindert reflektiert. Viel zu viele junge Menschen sind auf der Flucht. Dabei werden Suche und Flucht verwechselt, weil das Suchen nicht geübt werden konnte. Nur der Mensch begibt sich auf die Suche, der es gelernt hat, sich bewusst um sein Ich und sein Selbst zu kümmern; dieser Mensch kennt auch die Gefahr in der er lebt, er pendelt zwischen den ungenauen Größen wissen, meinen und glauben zu unterscheiden. Dieser Mensch erfährt die Phänomene der Selbstverletzungen und Selbstinfragestellungen; er ist sich seiner nicht sicher. In dieser Unsicherheit gründet eben kein glücklicher, aber gelegentlich ein menschlicher Mensch. Menschen können stabilisiert werden. Sie sind auch sich hin zu verweisen. Ihre Arbeitsleistungen sind zu würdigen, sie sind zu motivieren, Sinn zu erkennen und für sich Sinn zu realisieren. Vollkommenheit, auch im Grafischen, ist eine Fiktion. Wir bestimmen Qualitätsgrade aufgrund von Erfahrungen. Irrtümer gehören zu den Erfahrungen. Jeder Mensch macht Erfahrungen, die schwerlich zu vergleichen sind mit den Erfahrungen anderer Menschen. Individuelles Leben spielt immer vor dem Horizont der konkreten, individuellen Lebensgeschichte.


~~~~~~~~~~~ Uneingeweihte sollten sich von der breitangelegten Thematik der Diplomarbeiten nicht schrecken lassen. Entwürfe sind immer nur ein Teil; die Konzepte der Inhalte und die Inhalte selbst gehen dem Grafischen voraus. Gelegentlich wird das Inhaltliche vom Grafischen sinnvoll begleitet. Selten gelingt es, Inhalt und Ausdruck total in Übereinstimmung zu bringen. Wir finden Inhalte und Ausdrücke in der Natur und wir schaffen Inhalte und Ausdrücke am Arbeitsplatz. Natur und Arbeitsplatz sind von einer neurotischen Differenz getrennt. Der Arbeitsplatz ist ein Teil unserer Kultur. Die Diplomarbeiten sind von Menschen im letzten halben Jahr geleistet worden; Menschen, die die Adoleszenz nahezu durchlebt haben, um nun in einen neuen Lebensabschnitt hinein zu gehen. Zukunft ist immer dunkel. Diese Menschen gehen auf eine Arbeitswelt zu, in der Egoismus, Geltungssucht und Eitelkeit angesehene Werte sind. Vielleicht finden diese Menschen eine Nische in der Mitmenschlichkeit das Arbeitsleben bestimmt. Die Zeit, in der die Diplomarbeit geschaffen wird, wirkt stärker verändernd, als die gesamt Zeit, die das Studium dauerte.


~~~~~~~~~~~ Therorieteil für das Layout ist die Wahrnehmung. Theorie folgt der Praxis. Theorien sind Modelle zum Verstehen der Praxis. Verstehen wird durch Erklärungen und Erläuterungen gefördert. Eine moderne Einsicht ist: "Was ich nicht wahrnehme, kann ich nicht verstehen." Ins Nicht-Wahrgenommene kann ich nicht hineinsehen und folglich kann ich es mir nicht erklären. Layout entsteht in einem Prozess, der zum Teil bewusstseinsfähig und zu einem Teil nicht bewusstseinsfähig ist. Wenn ich ein Layout beendet habe, kann ich mich ausschnitthaft ans Entwerfen erinnern, der Rest ist nicht bewusstseinsfähig. Und dennoch bin ich sicher, beim Layouten bei Sinnen gewesen zu sein. Ich erinnere mich dennoch nicht. In diesem Nichtbesinnen nehme ich meine Intuition im Nachhinein wahr. Das Wahrgenommene mache ich rational. Das Rationalmachen in Übereinkunft mit Reflexion stabilisiert mein Urteilsvermögen. Ich kann mein Layout in Richtung auf die zu leistende Funktion, als angemessen oder als unangemessen beurteilen. Diese Einsicht ist für die Skizzenphase oder das Konzept eines Layouts erheblich und in Bezug auf das Layoutergebnis entscheidend. Rationalmachen und Reflexion sind für die Person eingebunden in konkrete Lebensgeschichte, die rationalisiert und reflektiert. In Rationalmachen und Reflexion bildet sich Einsicht, die eingebettet ist ins Verstehen, wie Erklärung und Erläuterung, die zusammengehören.

~~~~~~~~~~~ Die Grafikdesign-Gestaltungsmittel sind in der Regel von Grafikdesign nicht selbst geschaffen. Die Grafikdesign-Gestaltungsmittel werden für den Layoutprozess bestimmt und entschieden. Wir wählen aus Satzschriften einen oder mehrere aus, wir bestimmen Farben aus dem bunten oder unbunten Bereich und wir wählen aus dem Angebot von Papieren eine Sorte aus. Wenn wir Zeitung oder Zeitschrift entwerfen, ist uns die Papiersorte fast immer vorgeschrieben. Das Format ist gegeben bei Zeitung und Zeitschrift. Auf dem Format steht der Satzspiegel. Der Satzspiegel beeinflusst die Zonen des Bedruckten und des Unbedruckten innerhalb des Papierformates. Der Satzspiegel kann in Spalten aufgeteilt sein; es können gleichbreite oder ungleichbreite Spalten sein. Für Grafikdesign ist Schrift, Bild/Abbild, Farbe und Papier: ur.
Diese Silbe bestimme ich in meinem Kontext, in meiner eigenen Sprach- und Schreibautonomie, als im Ursprung vorhanden oder als Ansatz des im Ursprung vorhandenen.


~~~~~~~~~~~ Grafikdesign ist Bildurhebung. Das Teilwort Bild in der Wortkombination meint nicht das Bild oder das Ab-Bild, wenn wir konventionell von Bildern sprechen oder schreiben. Im Urheber verbirgt sich Ursache und Ursprung, herkommend vom mittelhochdeutschen urhab (Ursache). Modern: Urheber ist diejenige/derjenige, die/der etwas bewirkt oder etwas veranlasst hat. Das Etwas ist die Erscheinung, die zu definieren ist. Im Etwas ist Abgrenzung oder Ausgrenzung zu anderem. Wenn ich das Etwas erkenne oder einsehe, muss ich ein Anderes erkannt oder eingesehen haben und dieses zum Etwas in Verbindung bringen zu können. Mit unseren Bildurhebungen wenden wir uns an Menschen und diese Zuwendung ist nur dann sinnvoll, wenn die Personen, an die wir uns wenden, unsere Botschaften verstehen können. Wir haben die Qualität und die Quantität der Zumutbarkeit mit der wir andere Menschen behelligen, einzuschätzen. Diese Einschätzung sind empirisch (wahrscheinlich) kaum sicher zu erheben. Einschätzungen haben ihren Grund in unseren Annahmen. Wir schätzen gut, wenn Annahmen übereinstimmen; wir schätzen mangelhaft, wenn Annahmen nicht übereinstimmen.


~~~~~~~~~~~ Die Absolventen gehen auf die Arbeitswelt zu; sie verlassen die Welt des Studiums. Wir unterscheiden zwischen der privaten und der öffentlichen Welt. In den Benamungen des Häuslichen und des Außerhäuslichen werden Zustände und Befindlichkeiten beschrieben. Privates und Öffentliches in ihrem Verhältnis zueinander sind ungleichgewichtig. Das Ich ist in mehr, als nur zwei Welten. Ohne Du ist das Ich isoliert. In diesem Gegenüber und Miteinander wird die Fähigkeit zum Dialog abgebildet. Der Dialog konstituiert psychische, physische und soziale Existenz vor dem Hintergrund der Sinnzusammenhänge. Ohne konkreten Sinn ist Einsichtsfähigkeit blockiert, ohne konkreten Sinn ist psychisches und soziales Leben erheblich eingeschränkt. Sinn ist biophil. Erich Fromm hat das Biophiliepostulat formuliert. Karl R. Popper und Rupert Lay haben uns verstehbare und vorstellbare Definitionen von Welt 1, Welt 2 und Welt 3 zur Verfügung gestellt. In Welt 1 siedeln das Körperhafte und das Gemachte; in Welt 3 ist denken und handeln, Geist und Psyche zuhause; in Welt 2 werden die Prozessformen entwickelt, um Welt 3 und 1 produktiv zu verknüpfen. Welt 3 ist eine Entdeckung der Menschen. Welt 3 war schon vor ihrer Entdeckung vorhanden; sie würde auch existieren, wenn sie nicht entdeckt worden wäre. Der konkrete Entwurf des Grafikdesigners ist ein materielles Ding und gehört in die Welt 1; die Formidee, die dem Entwurf zugrunde liegt, ist Teil der Welt 3; in Welt 2 wird der Entwurfsprozess veranlasst. Ich und Selbst können sich halbwegs bewusst vor dem Hintergrund von Welt 1, Welt 2 und Welt 3 erfahren. Ich und Selbst können handlungsleitend wirken.

~~~~~~~~~~~ Unsere Zukunft ist profan. Wir haben für Brauchbarkeit zu arbeiten. Buch-, Zeitungs-, Zeitschriftenverlage und Werbeagenturen sind wirtschaftliche Unternehmungen, die auf Effizienz und Ertrag zu achten haben; die Kultur, wenn überhaupt, kommt später. Unsere Zunft verführt, sich einen künstlerischen und elitären AN-Schein mit der Lebenslüge des Besonderen immer wieder selbst zu bescheinigen. Unsere Zunft ist ein Teilchen eines Gefüges in dem pro Jahr Milliarden umgesetzt werden. Würde unsere Zunft den Dienst am wirtschaftlichen Geschehen verweigern, wäre sie überflüssig. Als Realitätsverlust ist zu bezeichnen, wenn der Tätige mit seinem Tun nicht übereinstimmt. Störungen können zum Selbstverlust führen.

 


Weitere Manuskripte von Hans F. Krebs auf dem Zeitzug

Aktuelle Textbeiträge

Tagesrandbilder

TaubTaub

17.03.2024 Es taubt die Taube/ flatterndes Umgurren/ die Kanzel hinauf und hinunter/ gefangen in den Sphären der selbsternannten Gerechten

Zwischen (W) Orte

Gescheit/er/t

Gescheitert

2024 - Kafkat & Milovat*