Feuer an bloßer Haut

von Rolf Schneider, Ö1 Hörspiel
Regie: Harald Krewer, Musik: Peter Kaizar
Mitwirkende: Eva Herzig und Friedrich Hammel
 
Franz Kafka und Milena Jesenská


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Zu Franz Kafkas Hauptwerk zählt, neben den Romanen bzw. Romanfragmenten "Der Prozess", "Das Schloss", "Amerika/Der Verschollene" und seinen unzähligen Erzählungen, auch der Briefwechsel mit seinen Frauenbeziehungen. Einer der bekanntesten davon ist jener mit Milena Jesenská. Jesenská war eine junge, emanzipierte Frau. Sie verkehrte in der deutsch-jüdischen Gesellschaft in Prag, wo sie neben Kafka auch Max Brod, Kafkas späterem Nachlassverwalter, und Franz Werfel kennen lernte.
 
Briefwechsel Kafkas mit Milena Jesenská
Verheiratet war sie - wenn auch unglücklich - mit Ernst Pollak, einem Prager Bohemien, mit dem sie schließlich nach Wien ging. Dort war Jesenská unter anderem als Journalistin tätig, bis sie sich von dort am 28. Oktober 1919 an den "sehr geehrten Dr. Kafka" mit der Bitte wandte - beeindruckt von seiner Erzählung "In der Strafkolonie"- seine Werke ins Tschechische übersetzten zu dürfen. Daraus entwickelt sich eine sehr intensive und sehr intime Brieffreundschaft.

Der um 13 Jahre ältere Kafka stand dieser Kontaktaufnahme Milenas anfangs zwar etwas distanziert, korrekt gegenüber. Nichts desto trotz entwickelte sich eine bis knapp vor seinen Tod, 1924, andauernde Brieffreundschaft. Der Annäherung zwischen den beiden, ihren eher knappen und stets von Milena angeregten, persönlichen Begegnungen, folgte schließlich wieder der Rückzug Kafkas. Dennoch blieb der Kontakt zwischen beiden bestehen. Es entwickelte sich eine platonische Beziehung, die Kafka noch in seinem Todesjahr zu der Erzählung "Josefine, die Sängerin oder das Volk der Mäuse" inspirierte.
 
Semidokumentarisches Hörspiel
Im Gegensatz zu Kafkas umfangreicher Korrespondenz sind Milenas Antworten nicht mehr erhalten. Rolf Schneider hat diese auf Basis minutiöser Recherchen und der Biografie Jesenskás zu rekonstruieren versucht. In diesem semidokumentarischen Hörspiel darf der Hörer an einer der sonderbarsten Liebesgeschichten des 20. Jahrhunderts teilhaben. Es ist eine Geschichte voller Zuneigung und verbaler Zärtlichkeiten, aber sie zeigt auch, dass es in Kafkas vertracktem Leben kam, wie es kommen musste: "Auch diese große erotische Leidenschaft wurde wieder nur zu dem, worauf alles in seinem Leben hinlief, zu Literatur."- so der Autor Rolf Schneider im Vorwort zu seiner Textvorlage.

Zum Autor

Rolf Schneider wurde 1932 in Chemnitz geboren. Er studierte Mitte der 1950er Jahre in der ehemaligen DDR an der Universität Halle-Wittenberg Germanistik und Pädagogik. Nach seinem Studienabschluss arbeitete er für die kulturpolitische Zeitschrift "Aufbau" in Berlin-Ost als Redakteur. Daneben ist er seit 1958 als freier Autor tätig und verfasste zahlreiche Hörspiele, Theaterstücke, Romane und Essays. Außerdem war er lange Zeit Redakteur für verschiedene Tages- und Wochenzeitungen.

1976 gehörte er zu den Unterzeichnern der Protestresolution gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR, 1979 wurde er aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen in den er nach der "Wende" wieder aufgenommen wurde. Im Laufe seines Schaffens erhielt er mehrere hohe Literaturpreise in Ost und West. Rolf Schneider lebt in Schöneiche bei Berlin, er ist Mitglied des PEN-Zentrums der BRD.


Text: Gerald Anetzhuber

 

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