Renate Söllner
"Gedichte" (1992 - 1996)
Die Liebe
mächtig,
verletzbar,
Äste wie Arme,
dem Ewigen entgegengestreckt,
in der Tiefe,
nach Erneuerung suchend,
die Wurzeln.
Blätter,
vom Pinsel des Lebens gefärbt,
raunen
in die Wellen des Windes
ihre zeitlosen
Melodien.
Zu Blüten geworden
die Zärtlichkeit,
erlösende Umarmung ihr Duft,
im Samen verborgen das Sein.
Kraftvoll der Stamm,
Bollwerk die Rinde,
Wunden,
vernarbt.
Axthiebe -
wieder und wieder geführt.
Einer zuviel,
der Fall!
Die Liebe ein Baum
Damals
als der Mond zersprang
und seine
Silberteilchen
im Sonnenlicht
zur Erde glitten,
stellte
das Leben seine Weichen
und gab
den Schlüssel zum Erwachen
mir.
Ich öffnete die Tür.
Und
Sekundenlicht
des Augenblickes
begannst Du
am Klavier des Lebens,
leise und sanft,
die Melodie
der Unvergänglichkeit
zu spielen
Es war
Es war
um Mitternacht
oder danach,
als meine Liebe
Deine Maske
zerbrach.
Du weintest,
Du bebtest,
Du fühltest Dich nackt.
Erstmals
seit Jahren
wurde Nähe zum Akt.
Die Zärtlichkeit
reichte
den Scherben die Hand.
Es war auch
die Maske,
die einst uns
verband.
Lange wartete ich
Lange
wartete ich
in der Ankunftshalle
des Lebens
auf mich.
In allen Zügen
hatte ich Ausschau
nach mir gehalten,
konnte mich aber
nicht finden.
Die eisigen Krallen
der Angst
hatten meinen Schatten
aufgerissen,
hinter dem ich
Schutz gesucht
hatte.
Irgendwann
erreichten Dich
meine lautlosen
Schreie
Du bist
das sich
im Spiegel meiner Augen
bricht,
bist Sonnenstrahl,
bist Pfeil
von einem anderen Stern.
Ich bündle Dich
und
leg
Dich
auf
mein
Herz
Ein Brief
mit Tinte
auf Wasser geschrieben
Deine Antwort
Gischt
die sich bricht
an den Worten.
Verstümmelt
auf den Schaumkronen
der Hoffnung
treibend.
Gestorben
am Gifthauch
der Worte
die Liebe
©Renate Söllner