Die Unheilige Allianz

Rupert Riedl 


die-unheilige-allianzDie Unheilige Allianz wird also letztlich durch ein weltweites Wirtschaftssystem von Kapital, Konkurrenz und Gewinnmaximierung angetrieben. Staaten fördern eher das Machbare als die Bildung. Ihre Bildungsstätten verkommen zu Ausbildungsstätten, locken und fördern die Industrie, die keine Bildung benötigt. Disziplinen, die das Machbare anbieten, dominieren die Forschung, führen zu einer Dominanz der Macher einer unverantworteten Macht. Unbestreitbar spezialisierte Kapazitäten ihrer Fächer legitimieren nun umgekehrt im Strome des ontolgischen Reduktionismus die Machbarkeitsideologie einer reparierbaren Welt, erlauben den Konzernen, in die die komplexe Welt einzugreifen, ohne dass sie verstanden ist. Ein Teufelskreis.

Wieder sind es die Bürger, die weltweit gegen Globalisierung auftreten. Und niemand kann ihnen sagen, wie das Ozonloch zuzunähen, der Atommüll fortzuschaffen, dem Geschwirr verdorbener Erbsubstanz beizukommen und der Kapitalfluss zu stoppen wären, der die Armen weiter ärmer, die Reichen reicher macht.

Die Aufklärung hat uns trotz ihrer Segnungen allerlei eingebrockt. Eine Abklärung hat zu folgen, die wieder auf das menschliche Maß - die Einsicht in unsere begrenzten Möglichkeiten - zurückführt.

Auch was man unter einem Wissenschaftsideal versteht, spielt eine Rolle. Über mehr als ein Jahrhundert präsentierte die Physik ein solches Ideal. Das hatte gute Gründe. Die Industrialisierung brauchte und förderte sie. Die Physik hat überwiegend mit reversiblen Prozessen zu tun, was ein verlässliches Experimentierfeld anbietet. Sie kann ihre Einsichten bis hin zu mathematischen Ausdrücken reduzieren. Zudem war man lange der Ansicht, dass sie es mit eternalen, der Welt gewissermaßen vorgegebenen Gesetzen zu tun hätte und nicht mit Zufallsgeschichten wie die Gesetze der Biologen.

Das hat zu den Biowissenschaften hin einen tiefen Graben entstehen lassen, weil diese das Werden der Lebensgesetze angeben und einräumen, dass alles auch hätte ganz anders werden können. Viele Betrachter der Wissenschaftsgeschichte sind der Ansicht, dass das Wissenschaftsideal der Physik heute von dem der Biologie abgelöst wurde. Das biologische Wissenschaftsideal ist unseren Lebensbedingungen näher. Alles ist heute "Bio-", vom Markt bis zur Tier- und Lebenshaltung, und Begriffe wie Ökologie, System, Biosphäre, Emissionskontrolle, Beweislastumkehr oder Nachhaltigkeit entstammen der Biologie.

Man soll sich aber nicht täuschen. Was in aller Munde sein mag, ist in die Bildungsstrukturen noch lange nicht eingegangen. In den Sitzungen der Fakultäten nehmen die Physiker immer noch die ersten Reihen ein, die Chemiker folgen, und dahinter reihen sich die "Geschichtenerzähler".

Auch die Anorganiker gehen den irreversiblen Prozessen, als solchen mit unwiederholbarer Geschichtlichkeit, eher aus dem Weg. Diese Prozesse fügen sich in die Eleganz mathematischer Formulierbarkeit schlecht ein. Man hätte hoffen wollen, dass die theoretische Chemie heute zur Brücke zwischen theoretischer Physik und theoretischer Biologie würde. Aber die theoretische Chemie erlebt sich eher in der Verlängerung der physikalischen Gesetze, und das macht die Lage noch schlechter.

Natürlich lässt man einige Disziplinen dahinvegetieren, solche, die nicht schaden, eben die Orchideenfächer, und solche, von denen die Öffentlichkeit noch glaubt, dass sie zur Bildung gehören, die alte Philologie etwas oder Geschichte und Kunstgeschichte, Völkerkunde und die Kulturwissenschaften überhaupt, von denen schon Lord Snow meinte, dass sie für unser Zeitproblem ohne Belang wären.

Nun kann man ja wohl fragen, wie es sich mit der Herkunft der Dominanz verhält. So plump das klingen mag, es geht um Macht und Einfluss. Ist nicht in allen Fächern in selbstloser Weise auch Grundlagenforschung betrieben worden, aus der kaum Macht und Einfluss gewonnen werden kann? Gewiss ist das geschehen. Aber zu machtvoller Wirkung haben die Erkenntnisse über Grundlagenzusammenhänge im Atom- und Zellkern geführt. Sie ließen im Nachschatten der Atombomben überall die Atommeiler wuchern und förderten die Genmanipulation und die Macht der großen Konzerne. Die Grundlagen für ein Verständnis des Lebendigen, Negentropie, Emergenz, Historizität, Ursachenformen, Hermeneutik sind auch geklärt worden. Aber was ist mit dem Wissen darum wirtschaftlich anzufangen? Nichts. Die Erkenntnisse mahnen die Macher zur Vorsicht und Zurückhaltung. Macht und Einfluss ist aus ihnen nicht zu gewinnen. Im Grunde wurden sie hinderlich.

Doch das sind nur die theoretischen Grundlagen der Dominanzunterschiede. Manche kennen diese Grundlagen vielleicht gar nicht. Sie wurden ihnen nicht unterrichtet. Das Szenario der Forschungsdominanzen operiert dagegen ungleich irdischer. Die Anzahl der Professoren bestimmt die demokratischen Entscheidungen in den Sitzungen der Fakultäten. In manchen Fächern hat sich nun die Zahl der Professoren vervielfacht, in anderen wurden schrittweise Stellen eingespart. Das tut natürlich Wirkung auf das Selbstgefühl der Großen unter den konkurrierenden Gruppen. Der Große kann seine Möglichkeiten zur Erlangung von Drittmittel und weiteren Mitarbeitern leicht vergrößern. Es ist nahe liegend, dass aufgrund solcher Mechanismen die Welt der Macher wachsen und dominieren muss, dass die Mahner schwinden, die Nachdenklichen ausgeschlossen und die Mitläufer in jenen Strom hineingezogen werden.

Diese Entwicklung wird auch durch die Behörden der Staaten gefördert. Zunächst erscheint das merkwürdig und zwar deshalb, weil viele Bürger, nunmehr souverän in den parlamentarischen Demokratien, die Produkte der Macher gar nicht haben wollen. Man denke nur daran, wie Kernkraftwerke, Tierfabriken oder die Aussaat genmanipulierter Pflanzen und letztlich die Globalisierung immer wieder zu Unruhen veranlassen. Warum regieren die Behörden der Staaten gegen Mehrheiten ihrer Bürger?

Die Ursache ist bekannt. Die Staatenlenker sind in Zugwzängen gegenüber der internationalen Konkurrenz. Es wird ihnen von der nationalen Industrie mitgeteilt, dass man am Ball der Zeit zu bleiben habe, um zu bestehen. Zumal die internationalen Konzerne ihre Produktionen ohnedies in jene Staaten verlegen können, die ihnen keine Schwierigkeiten machen. Die Staatenlenker meinen auch, dafür sorgen zu müssen, dass solche Konzerne ins Land gelockt werden. Das gilt für Tierfabriken, den Walfang, die Edelholzplünderung und so fort, für alles, was die NGOs, als Unfug längst aufgespürt haben. Sie sind es schließlich, nicht unsere Staatenlenker, die unsere Gesellschaft zu einer höheren Moral führen wollen.

 

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