Meridian Czernowitz XIII - 2022
Vom 2. bis 4. September 2022 fanden im Rahmen der Internationalen Literaturveranstaltung Meridian Czernowitz XIII Aufführungen, Lesungen und Gespräche betreffend "Dialoge über den Krieg" statt.
An den Veranstaltungen dieses Sonderprogramms nahmen u.a. Andriy Lyubka, Iryna Tsilyk, Josef Zissels, Igor Pomerantsev, Andriy Bondar und Kateryna Kalitko teil. Sie sprachen über den Krieg, dessen kulturellen Frontverlauf und kreativen Antworten in Kriegszeiten.
Claus Löser trug im Frühjahr dieses Jahres, kurz nach Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine, die Idee an mich heran, sollte das Festival stattfinden - gemeinsam auf eigene Faust nach Tscherniwzi zu fahren.
Die Hinreise mit dem PKW über Tschechien, Slowakei, Ungarn und Rumänien dauerte drei Tage - genau so lange wie Meridian Czernowitz XIII. Als Evgenia Lopata von Meridian Czernowitz erfuhr, dass ich auf eigene Kosten nach Tscherniwzi kommen werde, wurde ich kurzfristig um einen aktuellen Text gebeten. Ich übermittelte den weiter unten angeführten Text, der von Petro Rychlo ins Ukrainische übersetzt wurde. Die Lesung moderiert und übersetzt von Petro Rychlo fand am 3.9. im Paul Celan Zentrum statt.
Ich war überrascht, wie viele junge Besucherinnen aufmerksam zuhörten. Inmitten des Lesens, traf mich der eine oder andere Blick so fragend, dass mir während des Lesens die Augen tränten. Sie, die Zuhörenden aus der Ukraine werden bleiben, die eine oder ein anderer in den Krieg ziehen. Ich hingegen wieder zurück nach Prag fahren, den Sohn wiedersehen, der wie gewohnt einen Zug lenken wird, sein altes Haus weiter renovieren wird. So anders die Zukunftsaussichten für die Menschen, die für die Freiheit ihres Landes kämpfen. Am Ende der Lesung bedankte sich eine der Zuhörerinnen mit den Worten "Danke für ihre Tränen".*
Es war 2022 eine ganz andere Stimmung als bei dem ersten Festival im Jahre 2010. Sviatoslav Pomerantsev, den ich seit 2008 als "Slava" kenne umarmt mich mit den Worten "you are my hero". Er arbeitete seit 2008 unterstützt von seinem Onkel Igor Pomerantsev und Iryna Vikyrchak an der Idee, die internationale Literatur zurück nach Czernowitz zu bringen - das wurde durch die Gründung von MERIDIAN CZERNOWITZ in die Tat umgesetzt. Die einstige Aufbruchsstimmung war durch den Krieg seit 2014 aufgesogen worden. Zu spüren war aufbegehrender Widerstand, der Mut und der Wille – weiterzumachen. Die herzhafte Leichtigkeit von einst ward zwölf Jahre später durch ehrgeizige Professionalität ersetzt worden: eine aus Kyiv angereiste Modefotografin fotografierte die TeilnehmerINNen, offiziell war das Wort "Festival" gestrichen worden und die Direktorin Evgenia Lopata durch ihre Aktivitäten allerortens präsent.
Was sich nicht geändert hat: an den Straßenrändern wird noch immer frisches Obst, eingelegtes Gemüse, Marmeladen von RetnerINNEn angeboten. Ich kaufte Äpfel und Blumen ein. Vor der Ausgangssperre um 23 Uhr hörte ich den Straßenmusikanten zu. Neu hingegen die kilometerlangen Schlangen von LKWs, deren Fahrer bis zu 14 Tage auf die Ein- bzw. Ausreise an der rumänisch-ukrainischen Grenze warten. Die Wand hinter dem Denkmal von Taras Schewtschenko ist von einer ukrainischen Fahne bedeckt, davor eine Fotogalerie mit den seit 2013 auf dem Maidan, während des Kriegs gefallenen Soldaten aus Tscherniwzi. Dort werden Tag für Tag frische Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet. Aus den Kirchen waren die Chöre, die Fürbitten zu hören. Anstelle der Menschen, die Hochzeiten entlang der Olha Kobylanska Straße - der einstigen Herrengasse während der K&K Monarchie - feierten, waren Soldaten in Uniform zu sehen.
Das mir angebotene Honorar bat ich als Spende zu verwenden. Vor der Anreise war Udo Puschnig vom Amt der Kärntner Landesregierung mit der Bitte an mich herangetreten, den Sponsorbeitrag der Georg Drozdowski Gesellschaft in bar an die Veranstalter des Meridian Czernowitz zu übergeben. Dieser Bitte kam ich gerne nach.
Lesungen in deutscher Sprache, die ins Ukrainische übersetzt, waren Gedichte von Andra Schwarz und Jan Snela, ein Briefwechsel von Jurko Prochasko mit Helmut Böttiger, Gedichte von Nora Gomringer und Judith Schifferle, die an der Volkshochschule Beider Basel einen Kurs "Der ukrainische Sonderfall: Lyrik aus dem Krieg" anbietet. Ich besuchte beinahe alle Gespräche der ukrainischen TeilnehmerINNen – da ich dank meiner Tschechisch Kenntnisse gesprochenes Ukrainisch verstehe. Der aus Israel angereiste Eran Tzelgov mailte mir nach den LesungenTexte, einige davon hat er auf Hebräisch gelesen, die ins Ukrainische übersetzt wurden.
Während des Vortrags von Josef Zissels, einen der Teilnehmer die ich vom ersten Meridian Czernowitz 2010 kenne, über Identität, einem Geflecht von Sprache, Raum, Abstammung, Gewohnheit, Bräuchen beobachtete ich den aus Tscherniwizi stammenden Fotojournalisten Maxym Kozmenko, der über das Geschehen aus der Ukraine berichtet.
Wie mir Petro Rychlo und Christian Weise erzählen, gibt es nach wie vor reguläre Busverbindungen in die Ukraine. Juri Andruchowytsch hat eine solche Reise vor zwanzig Jahren in dem Essay "Germaschka" beschrieben. So eine Reise anzutreten, das nehme ich mir vor.
Prag, 10. September 2022, Milena Findeis
Zum Auftakt der Lesungen, Gespräche
Svyatoslav Pomerantsev, 2.9.2022
Ich möchte hier einige Worte über das Hinterland sagen, da wir uns infolge geographischer Lage im Rücken eines Landes befinden, das einen Krieg zu führen gezwungen ist. Kriegstheoretiker betrachten das Hinterland vor allem als eine menschliche und wirtschaftliche Armeeressource. Dichter, die zu uns während des Kriegs gekommen sind, um ihre Gedichte hier vorzutragen, und Poesiefreunde, die bereit sind, während des Krieges den Gedichten zuzuhören, – das ist ebenfalls eine Ressource, obschon von einer anderen Art. Das ist eine Ressource der Lebensstandhaftigkeit, der Lebensfreude und der Hoffnung. Natürlich ist es eine sehr bescheidene Ressource, doch ohne sie wäre es viel schwieriger zu leben. Im Gedicht von Rose Ausländer „Hoffnung“ finden sich solche Zeilen:
Wer könnte atmen
ohne Hoffnung
dass auch in Zukunft
Rosen sich öffnen
Atmen bedeutet Hoffnung zu haben. Wir leben in einem Land, in dem unser Feind tausende von Häusern zusammen mit ihren Einwohnern total ausgelöscht hat. Anstelle der Häuser sind nur Löcher und Lücken geblieben. Poesie kann nicht die Ermordeten auferstehen lassen. Aber solange Gedichte erklingen, wird die Hoffnungsressource nicht versiegen.
Igor Pomerantsev, 2.9.2022:
Der Krieg gibt den halb vergessenen Wörtern, deren Stelle nur in den militärischen Wörterbüchern und alten Gedichten aufscheinen, einen neuen Sinn. Eines dieser Wörter heißt „Frontgebiet“. So nennt man ein Territorium nahe der Front. Aber es gibt auch eine andere Definition dieses Wortes. Alle Menschen, von Charkiw bis New York, die einschlafend an die Ukraine denken und aufwachen, um den neuen Tag mit dem Lesen der Kriegsnachrichte zu beginnen, sind Frontgebietsmenschen.
Gedichte, die hier vortragen werden, klingen wie Texte aus dem Frontgebiet – ob wir es wollen oder nicht. Die ganze klassische Poesie, sogar solche lyrische Zeilen wie Taras Schewtschenkos „Ein Kirschengarten vor dem Haus“ oder „grenzenlose Felder / Und den Dnipr und seine Schnellen“ sind heute Frontgebietspoesie.
Wieso? Weil die Poesie dem Tode gegenübersteht, und der Krieg bedeutet Tod. Ich glaube an den Sieg der Poesie. Sicher, sie besitzt keine Haubitzen, keine geflügelte und flügellose Raketen, keine Bomben, aber sie besitzt hochpräzise Wörter, gegen die sogar die Kanonen machtlos sind.
Wir leben heute in solchen Zeiten – in den Zeiten der Frontgebietsgedichte, der Frontgebietsdichter, der Frontgebietsleser und -zuhörer.
Lesung Milena Findeis
Moderiert und ins Ukrainische übersetzt von Prof. Petro Rychlo, Перекладач Петро Рихло: «У найжорстокіші часи з’являється найніжніша лірична поезія»
Ein aus der Sprache gefallenes Wortsich ausbreitetend wie ein Lauffeuer Kämpfend hallt es wider Diesen Feind definieren Dem inneren Kriegsvirus nachspüren Wo bin ich Opfer? *** ZERsetzendes JAHRtausendMit von Verbrechen Diktatoren oftmals im Duett *** Wort-ARBEITIm Mund das Wort Es summt in den Ohren Mit Hashtags verbreitet *** ZersplittertInmitten all der Scherben Der Druck von Dort das Eis Eruption Ersteres ausgesprochen ***
MückenKlangEingefangen von Dicht am Wasser Auf warmen Kieseln Aus dick verwobenem Über der abgeschürften Haut *** SchwesternDen Balken aus den Augen lösen Vorwürfe in den brennenden Scheiterhaufen versenken Erinnerungen ausatmen: lang und tief Von *** SeelensZug Zug für Zug *** |
Слово що випало з мовищо шириться мовби пожежа у лісі
Знову відчути внутрішній вірус війни Де я жертва? *** ДЕструктивне ТисячоЛІТТЯ
Диктатори часто виступають в дуеті *** Словесна РОБОТАСмакувати Воно бринить у вухах Поширене у гаштеґах *** Розбита на скалкипоміж усіх цих уламків Натиск Там – крига *** Комашиний співВ обіймах У воді Із густо тканої *** СестриВийняти скалку з ока Докори вкинути у палаючу ватру Видихати спогади: довго й глибоко Звільнитися *** Душевні крокиКрок за кроком *** |
Foto von der Prager Buchmesse 2022 vor dem Stand der Ukraine
GeborgenheitMitten im Gewühl der Prager Buchmesse Bücher, Autorinnen, Menschen, Kinder Es wird gelesen, gespielt, gesungen, gekocht Das sind die stillen Momente, die dem Herz Der “Wiederaufbau des Menschlichen” immer wieder zurückkehren *** |
Захищеність
яка несе картонну коробку книжок *** |
Im Frühjahr 2022 der mit Claus Löser Ich zitiere aus seinem Gedicht “Nicht einfach” Nein einfach ist es nicht
Jede Kunst überdeckt Narben Ich hänge an der Lebendigkeit Milena Findeis, Ins Ukrainische übersetzt von Petro Rychlo |
Навесні 2022 року в нас із Клаусом Льозером Я цитую з його вірша: «Непросто» Мілена Фіндайз, З німецької переклав Петро Рихло |
Mitten im Ukrainekrieg: Ein Lyrikfestival: Das gute Leben nicht vergessen
6. September 2022, Süddeutsche Zeitung
Diskutierten beim "Meridian"-Dichtertreffen in Czernowitz im September 2022: "FRAGILE: Ein Briefwechsel zwischen Jurko Prochasko und Helmut Böttiger, Übersetzung – Juri Silwestrow.
Ein Herantasten, ein Austausch die Begegnungen in Tscherniwzi im Rahmen von Meridian Czernowitz XIII
Foto: von links nach rechts Juri Silwestrow, Jurko Prochasko, Helmut Böttiger
Im Berenberg Verlag erschien im August 2023, Czernowitz, Stadt der Zeitenwenden von Helmut Böttiger. 88 Seiten · Halbleinen · fadengeheftet · 134 × 200 mm, ISBN 978-3-949203-71-8
Seite 55 III. September 2022
"Pomeranzews Kleinbus kann acht Personen aufnehmen und reicht gerade für uns aus, als Gäste seines Festivals. Er hat uns am Flughafen im rumänischen Iași abgeholt. Das liegt immerhin zweihundert Kilometer von Czernowitz entfernt, aber die Flugverbindungen nach Iași sind vom Westen aus am günstigsten. Wir kommen schon gegen 14 Uhr in Iași an. Dennoch sind die Organisatoren wegen der Zeit ein bisschen nervös: Ab 22 Uhr gilt in Czernowitz absolutes Ausgeh- und Fahrverbot. Wir müssen spätestens dann im Hotel sein - das ist eine der Begleiterscheinungen des Krieges.
Dass das Meridian-Treffen in diesem Jahr überhaupt stattfindet, ist schon an sich eine Nachricht. Seit der sowjetischen Invasion am 24. Februar hat sich in der Ukraine alles verändert. Unter diesen Umständen das seit 2010 bestehende Lyriktreffen fortzusetzen geschieht aus Trotz, aus Stolz, aus Selbstbehauptungswillen. Gerade in dieser äußerst bedrohlichen Situation will man auch an ein kulturelles Selbstverständnis erinnern.”
Wie kann man im Krieg über Gedichte reden? Das Festival "Meridian" in Czernowitz zeigt eine Ukraine, die sich ihrer mehrsprachigen Identität versichert.
Von Helmut Böttiger
Dass das "Meridian"-Lyrikfestival in Czernowitz in diesem Jahr stattfand, ist schon selbst eine Nachricht. "Für die ukrainischen Streitkräfte" stand groß auf dem Programmplakat. Alles stand im Zeichen des Krieges. Jurko Prochasko, der bekannte Lemberger Intellektuelle, der an die galizische Tradition der Multikulturalität anknüpft, sagte: "Keinen Augenblick lang verlässt mich das Bewusstsein dieses Krieges und seiner erbarmungslosen Wirklichkeit", und so war es bei allen Beteiligten. Alle Gedanken und Gefühle werden vom Krieg aufgesogen und durchdrungen, man kann sich als ukrainischer Schriftsteller auf nichts anderes mehr konzentrieren, die üblichen Arbeiten - literarische Essays, Übersetzungen, Gedichte - bleiben liegen.
Die meisten haben in der ersten Zeit nach der russischen Invasion nichts mehr geschrieben. Langsam aber wurden die neuen Erfahrungen zum Thema, und das war bei diesem Treffen deutlich zu spüren. Es beginnt etwas kategorial Neues: Irena Karpa sprach von ihrer "Lähmung" und der Erkenntnis, sich jetzt auf den Krieg "einlassen" zu müssen, Kateryna Kalytko nahm die militärische Bedrohung direkt in ihre Metaphern auf, in denen die Panzerketten das Körpergefühl förmlich zu durchdringen scheinen. Dabei war es sehr berührend, dass Iryna Tsilyk bei alldem davon sprach, gerade jetzt die Sehnsucht nach einem "guten Leben" nicht zu vergessen. Ihr Mann Artem Tschech ist im Krieg und hatte gerade zwei Tage Fronturlaub. Als Jurko Prochasko sagte: "Er hat sehr traurige Augen" war das einer der Momente, die man so schnell nicht mehr vergisst.
Auf der dreitägigen Veranstaltung drängten sich die Programmpunkte, und es fiel auf, wie jung das Publikum war. Czernowitz ist eine Universitätsstadt, die alte habsburgische Grenzregion ist bisher vom Krieg verschont geblieben, aber die Literatur sieht sich hineingezogen in die barbarische Aktualität. Sviatoslav Pomeranzew, der Gründer des Festivals, sprach über den militärischen Begriff des "Hinterlands" als einer menschlichen und wirtschaftlichen Ressource für die Armee. Die Poesie aber sei ebenfalls "eine Ressource der Standhaftigkeit, der Lebensfreude und der Hoffnung."
"Mit welchen Katastrophen setzen sich Ihre Helden auseinander?"
Man konnte das in Czernowitz auf vielfältige und zunächst auch irritierende Weise erleben. Der aus den Befreiungsbewegungen stammende Ausruf "Slawa Ukrajini" am Ende der offiziellen Reden ("Ruhm der Ukraine") und die Antwort aus dem Publikum "Slawa Herojam" ("Ruhm den Helden") gehörten dazu, und so militärisch befremdend sich das für westliche Zugereiste ausnehmen mag: Das ist mittlerweile ein Akt der Selbstverständigung, die Versicherung einer neuen ukrainischen Identität. Und diese versteht sich vor allem als ein Gegenentwurf zum russischen Imperialismus. Der "ukrainische Nationalismus", das lernte man hier, ist ein Begriff, der vor allem von der russischen Propaganda lanciert wird und den man äußerst differenziert betrachten sollte.
Es gibt in der Ukraine zwar eindeutig nationalistische Strömungen, aber vorherrschend ist gerade im Kulturbereich etwas Anderes: eine Rückbesinnung auf die Tradition der Mehrsprachigkeit und des Zusammenlebens verschiedener Sprachgemeinschaften in demselben Raum. So wurden zu "Meridian" in den letzten Jahren immer auch bewusst Autoren aus Israel eingeladen, als Anknüpfung an die jüdische Geschichte von Czernowitz, so auch in diesem Jahr. Und es ist, angesichts der antisemitischen Haltungen in der ukrainischen Vergangenheit, nicht zu unterschätzen, wie Czernowitz sich in offiziellen Broschüren selbst darstellt: als eine Stadt, die "immer tolerant und offenherzig zu allen Nationen und Konfessionen" sein wollte. Man sollte das Bestreben der Ukraine, dem russischen Imperialismus inhaltlich etwas entgegenzusetzen, ernstnehmen. Wenn der deutsche Literaturhistoriker von einer Journalistin aus Kiew gefragt wird: "Mit welchen Katastrophen setzen sich Ihre Helden auseinander?" - dann ist das, trotz aller Verwirrung, vor allem als ein Versuch der Annäherung zu begreifen, eines gegenseitigen Verständnisses. Aber natürlich merkt man an solchen Formulierungen auch, welche Hürden dabei zu überwinden sind.
Der Krieg hat etwas ausgelöst, das Putins Intentionen gänzlich widerspricht
Die ukrainische Literatur sieht sich der Anforderung ausgesetzt, sich aus dem Schatten der russischen Sprache und Kultur zu befreien. Diese über Jahrhunderte aufgebauten Strukturen aufzubrechen, das ist das seit dem russischen Überfall alles beherrschende Thema, und jedes Gespräch in Czernowitz berührte zwangsläufig diesen Punkt. Das Ukrainische als Sprache der "Tölpel" und "Bauern", die Ukrainer als "Kleinrussen" - auch bei den großen russischen Schriftstellern wie Tolstoi und Puschkin wird dieser imperialistische Anspruch Russlands ganz selbstverständlich mit transportiert. Die Auseinandersetzung mit der russischen Kultur zu vermitteln, ist für die Ukrainer momentan im Gespräch mit westlichen Autoren das sensibelste Thema: Ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Ukraine politisch und kulturell nicht als eine Art russischer Filiale wahrgenommen werden darf. Die ukrainische Sprache hat beispielsweise mehr Berührungspunkte mit dem Slowakischen und Polnischen als mit dem Russischen.
Berichterstattung über Meridian Czernowitz XIII
Claus Löser, Berliner Zeitung, Wochenendausgabe 17., 18. September 2022, Berichte über das Festival 2015, 2020
Helmut Böttiger, Deutschlandfunk Literaturfestival unter besonderen Bedingungen, Czernowitz, 6.9.2022
Jan Snela, Rose der Hoffnung in der Ukraine: Jan Snela über das Lyriktreffen in Czernowitz, SWR 2.9.2022