Herbstpoesie

2019

Die Grippe zwingt Kopf und Körper den Jahreswechsel im Bett ruhend zu verbringen. Die Ansprüche der Welt bleiben draußen, wie das Knallen von Korken, Feuerwerkskörper.

Die Vorsätze fallen aus, die vorgegebenen Rituale verstummen. Der Schlaf wirkt. Resilienz. Durch die Träume wahrnehmen, dass die sieben mageren Jahre weichen. Szenen von Ereignissen verdichtet in Traumsequenzen, die aufwecken.

2018

GeburtswehenGeburtswehen
Das Schattenbild des Körpers vereinigt
mit dem Lichtbild der Seele.
Nah beisammen Freude und Schmerz.
Atem abgegeben an unbewusstes Sein und
den im eigenen Rhythmus.
Unberechenbar, spontan
hinein in den Atemzug der Liebe.


Im Advent in eine Zeitung hineinschauen, online. Die Nachrichten stürzen sich über die Welt, ziehen eine Blutspur. Ein Abo für einen Schießkurs wird als Weihnachtsgeschenk angeboten, Kosmetik und Kleider, Uhren und Schmuck bieten sich feil mit Weihnachtsglitter. Die Seite wird geschlossen, gehe hinaus um den Vögel nachzuschauen. Im Garten sind die Rosen geschnitten, der Komposthaufen dampft und es ist still. Still genug um Platz zu finden für die Vergänglichkeit - die dem Dezember innewohnt - um Kräfte zu sammeln für die Verwandlung, die Erneuerung.


Die Bühne. Drei Wochen lang eingetaucht in die Welt der Oper. Zugehört, auf die Zwischentöne geachtet. Äußerlich ruhig geblieben, doch da es war wieder, jene Stimmung, die mein ganzes Leben begleitet hat: einer Diktatur unterwerfe ich mich nicht. Fidelio, ich danke dir, diese Erkenntnis.


UnbenamtUnbenamt

Grauschwarze Vögel kreisen
weitausgebreitet sind ihre Flügel
verdecken den Himmel

Der Atem ringt
Der Blick dämmert
Die Enge ist haltlos

Bar jeder Sehnsucht
angstbeschwert von ungenweinten Tränen
versickert Hoffen, altersmüd'

Das Schreiben, das Fotografieren keinem Wettbewerb preisgeben. Die von Organisationen, einer Jury gesetzten Rahmenbedingungen widerstreben meinem Sein.

Mühen, sind Gedankenfluten. Im vertieften Tätigsein wird fokusiert, da schweifen Gedanken nicht ab, um Unterlassungsgründe zu finden.

Das Unterwegssein nimmt mich mit. Manchmal in Teilen, zuweilen in Lippenbekenntnissen und mitunter ganz, so dass ich die Zersplitterung - als Einssein mit der Minute, dem Ort, dem Mensch der mir gegenübersitzt - empfinde.

Fokussiert. Mit der Kamera gelingt es zuweilen. Durch ein Detail erschließt sich ein neuer Ort, ein selten verwendetes Wort. Eingefahrene Fährten zurücklassend — hinein in den frisch gefallenen Schnee. Verweht, das Weh des Verbrauchten.

Getraut. Auf einen Menschen zugehen. Ihn ansprechen, um das Zuhören zu lernen. Dem Wort einen Wirkraum geben über die Begriffe, die sich ihnen unbedacht anhängen, hinweg.

Ober- und Untertöne, von lobend bis jammernd, zeigen sich durch den Blick. Unabhängig von der Augenfarbe. Dem wärmenden Blick folgend, öffnet sich die Herzkammer.

Ein Freund, der zwischen Kärnten und Kerala pendelt, erzählt mir, dass ab 1.1.2017 - per Regierungsdekret - in Indien das Verwenden von Plastiksackerln verboten worden ist. Der Vorzug einer "geführten Demokratie", zwinkert er mir zu.

Gewissenhaft mit einem von Herzen kommenden Lachen, das ist das, was mir der wichtigste Mensch in meinem Leben täglich vermittelt. Schal im Vergleich der Klatsch, den ich inhalierte als ich einer Einladung folgte, "Highsnobiety", ade.

Das Leben ist zu kurz, um es zu konsumieren.

Worte inhalieren, atemgleich. Nahrhaft.

Eine "Zeitlang" — ein Wort das sich aus der Kindheit heraus in die Jugend - die Lebensmitte - dehnte, bis es nach dem fünfundfünzigsten Jahr zu schrumpfen begann. Der Vergänglichkeit zum Trost gereicht, das Leben wandelt.

Liebend gerne aus Nebensätzen Vergleiche ziehen. Zitiere aus "Die Obstdiebin", Peter Handke, Seite 53 (Einwilligung von Suhrkamp wurde nicht eingeholt). "Alle die Busse waren leere, auf dem Weg ins nahe Versailles, wo an der Esplanade vor dem ehemaligen Königsschloß die Touristen, neuerlich viele aus China, aufs Abgeholtwerden warteten." Seit Jahren entziehe ich mich den Touristenströme, die Prag anpeilen. Die Asiaten und die Araber im Zunehmen begriffen. Ströme von Touristen werden Grenzen geöffnet, während sie sich den Flüchtenden verschließen.

Von den Ausstellungen weg, zurück ins Leben. Im Gegenüber der Anhäufungen - in Wort, Bild, Dingen - in die Leere gehen, mit frisch gewaschenem Kopf. Das Aufgehen in der Wirklichkeit, wenn das Schauen der Meise vorm Fenster - mit meinem Blick - eins wird.

 

Bild und Text ©Milena Findeis

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