Der dritte Monat, abgeblättert. Březen. Ein Besuch in Zeltweg, am Faschingswochenende. Krokusse in Mamas Garten. Vorm Grab des Vaters sind die schattigen Stellen noch vereist. Die Spuren eines Traktors sichtlich, sie haben sich eingegraben, zeigen den Weg zu einem frisch aufgeschütteten Grab.

Zum Radfahren war es mir zu kalt, begleitet vom Fotoapparat (foťák) ein sonntäglichen Rundgang nach der Mittagsmahlzeit. Heimgekommen, darf ich ein Foto von Mama machen, die es nicht mag, ins Bild geholt zu werden. Sie wird im Juni achtzig, ich im August zweiundsechzig. Am Küchentisch sitzend werde ich wieder zum Kind. Aufessen. Gut, ich nehme mir das auf den Teller, was ich essen will. Diese Lektion lernte ich in Holzmengen am großen Esstisch der Gemeinschaft rund um Georg Sporschill und Ruth Zenkert. Wenn jemand nichts will, dann nimmt er nichts auf den Teller. Wie und von was ich werde satt, wie unterscheidet sich der Hunger von der gefräßigen Gier des nie satt seins? Einer Antwort nachspüren, wie lange das dauern kann, durchspült die kategorische Gedankenflut.

Eine Frau läuft an mir vorbei, leichtfüssig. Spaziergängerinnen kommen mir entgegen, mit einigen werden Worte gewechselt. Hier wird gegrüßt “Guten Tag”, “Grüß Gott”, vereinzelt “Habe die Ehre” von den ganz Alten, “Hallo” von den Jungen. Ähnliches, im Wald von Psáry, “Dobrý den”, “Nazdar”. Der, die Eine von Angesicht zu Angesicht, während im Getriebe der Menge die Gesichter zur Masse werden. Der Wechsel vom einen zu anderen, tagtäglich. Das vermengt sein strengt mich an, je länger ich in einer Menge bin umso lieber verweile ich im Einsamen. Anfang Jänner habe ich mein Facebook Konto still gelegt, ich wollte sie einfach nicht mehr sehen, die Flut der Mitteilungen, auch die Verweilzeiten auf Twitter erfolgen in Abständen. Wenn ich gezielt auf der Suche nach Nachrichten bin, verweile ich länger und merke, wie ich mich in das eine oder andere vertiefe und dann sind zwei, drei Stunden weg. Maß nehmen und halten, ohne ins Rigorose zu verfallen.

Jeder Versuch, mir selber Verbote aufzuerlegen, endet damit dass ich früher oder später im Gegenteil von dem lande, das ich mir verboten habe. Nehme ich mir zuviel vor, verhaderen sich die Gedanken, verankern mich dort, wo ich nicht hin wollte. Rebellion - gegen den Strom schwimmen. Alles läuft und ich spüre, ich muss weg sonst frisst sie mich die Geläufigkeit, ich komme aus der eigenen Spur im Schielen danach, was die anderen tun, machen. Es ist nicht die Gewohnheit, die alles verflacht, mehr das Breiige, das keine Konturen erkennen lässt. Echte Zweifel führen aus der Verzweiflung heraus, gedankenlos übernommene tiefer in sie hinein.

3. April 2019, Milena Findeis, Augnerin

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