Von der Ichhaftigkeit zur sachdienlichen Begeisterung

 

Im Laufe des Jänners eine Bestandsaufnahme gemacht. Angeregt durch Raphael Bonelli, der im Netz ein Modell "Freud 3.0", vorstellt. Dieses permanente Kreisen rund um die eigene Befindlichkeit beenden, um es mit Viktor Frankl zu sagen "ganz wird der Mensch, wenn er über sich hinausgeht". Weg von dem Perfektionismus, der mich beruflich und persönlich in eine Sackgasse getrieben hatte. Distanz zu dem Vergleichen, das sich automatisch im Kopf abspielt, nicht bloss zu der auf Wettbewerb getrimmten Gesellschaft. Anteil nehmen durch den Dienst am Ganzen. Bonelli skizziert den Kopf als die Stimme des Wahren, das Herz als Stimme des Schönen und den Bauch als die Stimme des Guten. Nicht dem reinen Lustprinzip folgen sondern am Erwerb von Tugenden (Klugheit, Tapferkeit, Gerechtigkeit, Maß, Glauben, Liebe) arbeiten. Ordnung machen um die Neigungen (Neid, Zorn, Hochmut, Völlerei, Habsucht, Trägheit, Wollust) in die Schranken zu weisen. Es geht nicht um Selbstverwirklichung sondern um Selbststeuerung, letztere bewirkt die innere Freiheit, während die Selbstverwirklichung immer tiefer in die Tretmühle der Ichhaftigkeit führt.

Als Siebzehnjährige, als mich oft der Zorn steuerte, begann ich Eric Berne und Thomas A. Harris "Transaktionsanalyse" zu lesen. Es folgten Erich Fromm und Viktor Frankl. Ab dem 55. Lebensjahr tauchte wieder Carl Gustav Jung verstärkt im Bewusstsein auf. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit. Der Tod von Hana Andronikova und Gerda Neudeck, beide waren Freundinnen, Seelenmenschen und Vorbilder hatten mich tiefer getroffen, als ich es wahrhaben wollte. Die Würde des Menschen geht über den Wertbegriff hinaus. Über die Gewissheiten des äußeren Wertes, auf den ich in den produktiven Jahren gebaut hatte, zurück zum Glauben, der auf ein Vertrauen setzt, welches ohne Beweise auskommt.

Hinein in den Wald mit Hilfe von Straßenbahnen, Bussen und lokalen Eisenbahnstrecken. Die Streckenführung studieren, denn gerade auf den Nebengleisen gibt es Bedarfshaltestellen. Wenn der hierfür vorgesehene Knopf nicht rechtzeitig gedrückt wird, fährt der Zug weiter. Mich bewegen und abseits des Mainstreams (wo die Experten mit jedem neuen Trend ein Geschäft machen) wieder Zugang zum spielerischen Seins-Umgang finden. Konzentration auf das Wesentliche im Gewöhnlichen. Die Gedankengänge ordnen, jene, die den Neigungen angehören, loslassen, mich in ihnen nicht verheddern. Nach jedem Fehltritt zurückkehren auf den Pfad der Tugend. Darin liegt  meine Freiheit  – nicht im Außergewöhnlichen.

Das Alter lehrt mich das Loslassen zu üben, das Festhalten - sei es an nie überdachten Gewohnheiten, Verhaltensmuster, Dingen,  schon lang auseinandergefallene Beziehungen - raubt Energie, die ich lieber im jetzt einsetze als mich im Vergangenen zu verlieren. An dem Guten, das Richtung Zukunft weist, anknüpfen.

 

Prag, 26. Jänner 2020, Augnerin

 PS.: Wer mehr über den Wald wissen will: Waldtagebuch, NaTour Magazin von Gina Bromá. 

Ein Etappenziel im Projekt 2020: Das Erkunden des Waldes am Stadtrand von Prag - Hostivař  Ich gehe in den Wald um still zu schauen, zu hören und möglichst keine Spuren zu hinterlassen

 

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